Das aktuelle Programm des Kabaretts „Fettnäppchen“ nimmt das Hochwasser-Management und OB Viola Hahn aufs Korn. Fettnapp-Chefin Eva-Maria Fastenau denkt, den Nerv getroffen zu haben und steht zu ihrer Truppe.
Frau Fastenau, manch einer nennt Ihre Späße des neuen Fettnapp-Programms „platte Albernheiten über die OB“. Wie nennen Sie diese Art von Humor?
In diesem Fall ist es eine Zustandsbeschreibung. Es gibt nun einmal allgemein gültige Empfehlungen für Business-Garderobe.
Hat Gera diesen Humor?
Auf jeden Fall! Das Wesentliche an unserem neuen Programm „Kabarett unterm Schloss – Was ist los in dieser Stadt?“ ist doch, dass Leute, die während des Hochwassers schlimme Erlebnisse hatten, wieder darüber lachen können.
Was verstehen Sie und ihr „Fettnapp“-Team eigentlich unter Kabarett?
Das Problem ist doch, dass wir uns kabarettistisch mit Persönlichkeiten der Lokalpolitik beschäftigen. Wenn unsere Witze Politiker auf Landes- oder Bundesebene betreffen – wie zum Beispiel Pofalla oder Zimmermann – , haben die Leute kein Problem damit. Die Nähe unserer spitzen Bemerkungen zu Kommunalpolitikern kann dagegen den ein oder anderen verunsichern. Man findet es unter Umständen befremdlich, wenn wir mit dem Finger auf jemanden zeigen. Ich nehme an, weil man plötzlich Angst hat, sich positionieren zu müssen.
Es ging ja nicht nur um Pofallas Kartoffelgesicht. Der Style-Papst Karl fand noch andere Opfer, dessen Äußeres er während des Abends durch den Kakao ziehen konnte…
Dass man sich auch über jemandes Äußerlichkeiten lustig macht, ist ein wesentlicher Bestandteil von Kabarett. Wir haben doch schon bei Bundeskanzlerin Merkel gesehen, dass sich das Gerede um ihr Erscheinungsbild eingestellt hat, sobald sie angefangen hat, auf die Stylingtipps ihrer Berater zu hören. Als die Zeit der weißen Knöpfe vorbei war, beschäftigte sich auch keiner mehr mit ihrem Äußeren.
Was raten Sie denn Frau Hahn?
Erstmal Knigge lesen.
Was glauben Sie, versteht Ihr Publikum solche Gags?
Selbstverständlich! Schließlich sind die keine Einzelmeinung. Und die heftige Reaktion auf diese Nummern in unserem aktuellen Programm zeigen uns, dass wir einen Nerv getroffen haben!
Scherze auf die Äußerlichkeiten von anderen sind ein dankbares Geschäft. Die Lacher sind einem sicher, denn jeder ist doch gern ein bisschen schadenfroh, oder?
Ich denke, es lacht da jeder gern, weil es mittlerweile wirklich Gesprächsthema ist. Spätestens seit dem royalblauen Kleid zum Neujahrsempfang fragt sich doch jeder, was Frau Hahn zu ihren Terminen trägt. Es gibt allerdings wenige, die sich trauen, das laut auszusprechen. Unser Publikum war wohl eher erleichtert, dass das jetzt mal jemand gemacht hat.
Hatten Sie Viola Hahn zur Premiere ins Hofgut eingeladen?
Nein. Das hat bei uns Tradition, wir laden generell keine Politiker ein. Nicht, weil wir sie nicht in Verlegenheit bringen wollen. Eher, um ihnen die Mühe der Absage zu ersparen.
Kommen die trotzdem manchmal zu den Aufführungen?
Frau Hahn war glaube ich noch nicht bei uns. An Herrn Rauch als Gast kann ich mich auch nicht erinnern. Aber Herr Vornehm war ab und zu mit seiner Familie in unseren Vorstellungen – einfach, um einen netten Abend zu haben, nehme ich an, nicht des Amtes wegen.
Wieso traten Sie eigentlich kürzlich bei einer Veranstaltung der Linken auf? Aus Sympathie?
Wir haben das gemacht, weil wir gebucht waren. Jeder, der uns bucht, kriegt auch sein Programm, wir leben schließlich davon aufzutreten. Und wir waren auch schon bei der FDP und der CDU.
Bekommt da der, der sie bezahlt, Zoten nach Wunsch, quasi auf seine politische Ideologie passend?
Nee, wir machen immer unser eigenes Programm. Ich singe da auch gern mal dasselbe Lied bei allen – bei manchen passt es dann wie angegossen, bei anderen ist dann eben ein bisschen Häme dabei.
Sie machen derbe Späße über andere. Selbst dürfen Sie da nicht zimperlich sein. Wie gehen Sie mit Kritik um?
Wer den Kopf raussteckt, muss gegenwärtig sein, dass er eins draufkriegt. Umgang mit Kritik ist für uns etwas ganz Normales. Nach jeder Probe gibt es einen Tagesordnungspunkt, der heißt Kritik. Man lebt damit, dass es Kollegen und andere Menschen gibt, die die eigene Leistung beurteilen. Auf der Bühne muss man so oder so die eigene Eitelkeit ganz weit wegschmeißen. Deswegen geht man auch mit Kritik locker um.
Wer in der Öffentlichkeit steht, wie Sie oder wie Frau Hahn, muss also hart im Nehmen sein?
Wer sich was ausdenkt oder wer was macht, muss davon ausgehen, dass es Leute gibt, die den Geschmack nicht teilen oder mit den Entscheidungen nicht einverstanden sind. Man kann doch nicht erwarten, dass jedem alles gefällt. Aber man kann trotzdem bei seinem Standpunkt bleiben, der hat immer seine Existenzberechtigung.
In Ihrem neuen Programm geht es neben den Outfits unserer Stadtchefin noch um zahlreiche andere Themen. Was, hoffen Sie, nimmt das Publikum mit nach Hause?
Ich hoffe, die Leute nehmen das als Fazit, was wir uns gedacht haben: Wo woanders nach solchem Missmanagement Köpfe rollen, geht man hier zur Tagesordnung über. Es wäre ehrlicher von Frau Hahn gewesen zu sagen „Wir haben die Situation unterschätzt“, statt „Wir haben alles richtig gemacht“. Wenn man wie wir persönlich vom Hochwasser betroffen war, hat man aber eben die Erfahrung gemacht, dass sich keiner für einen interessiert hat.
Man wird den Eindruck nicht los, dass sich da über die Zeit etwas angestaut hat?
Na klar. Wir beobachten eben schon lange die Situation in der Stadt und im Rathaus und analysieren die vielen sichtbaren Probleme. Leider sehen wir weder Perspektiven noch Visionen. An einem bestimmten Punkt haben wir dann gemerkt, dass wir keinen Bock mehr haben, Rücksicht zu nehmen. Dann entlädt sich die Wut schon mal.
Ist das die Schwierigkeit am Kabarett machen?
Nicht immer einfach ist es, dass man die ernste Situation, die einen aufregt, und die Ärgernisse, die man selbst spürt oder die einem andere zutragen, so runterbrechen muss, dass sie witzig werden. Auf der anderen Seite darf man nicht zu sehr in der Wunde stochern, damit es auch lustig bleibt. Es soll ja nicht vordergründig lustig, sondern durchdacht und logisch sein.
Hat man trotzdem eine Stimme im Kopf, die einem sagt, den Witz lässt du mal lieber?
Die Schere im Kopf ist schon vorhanden, die abcheckt, wie weit man gehen kann. Dann muss man sich nur entscheiden, entweder oder.
Reagiert man in den folgenden Vorstellungen auf die Kritik der Zuschauer?
Wenn uns Besucher sagen, dass sie etwas nicht verstanden haben oder ein Übergang von einer Nummer zur anderen nicht so toll war, versuchen wir schon, das zu ändern. Aber man schreibt deswegen nicht das ganze Programm um. Ich stehe voll und ganz hinter dem, was wir machen!
(Das Programm „Kabarett unterm Schloss – Was ist los in dieser Stadt?“ wird bis in den September regelmäßig im Hofgut gespielt. Aufgrund des großen Interesses wurde am 20. August, 19.30 Uhr, sogar eine Zusatzvorstellung eingeplant. Die letzte Aufführung ist am 3. Oktober.)
Quelle: tlz.de