Den Flüssen Ausgleichfläche zurückgeben

Veröffentlicht: Juni 13, 2013 von fluthelfer in Sachsen

Das Wasser ist noch nicht wieder weg, da wird bereits darüber nachgedacht, wie man eine solche Katastrophe künftig vermeiden oder doch zumindest die Folgen minimieren kann. Ein Stichwort der Diskussion leutet: mehr Platz für die Flüsse, ökologischer Hochwasserschutz. Der sei in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben, sagen Experten. So wurden in ganz Sachsen seit 2002 nur etwa 100 Hektar Fläche den Flüssen wieder zurückgegeben, indem man Deiche zurück verlegt hat. Ist also Sachsen-Anhalt auch deshalb so stark betroffen gewesen, weil man in Sachsen die falschen Entscheidungen getroffen hat?

Überschwemmungen wären vermeidbar gewesen

Überschwemmungen in Barby, Bitterfeld und Magdeburg, der Dammbruch in Fischbeck, das alles hätte man vermeiden können, wenn Sachsen eine andere Politik betrieben hätte, sagt der Flussexperte des BUND, Winfried Lücking: „Auf jeden Fall, weil man damit den Druck des Wassers hätte vermindern können, und damit auch die Deiche geschont hätte. Im Grunde genommen ist es so, dass am gesamten Strom Rückdeichungsflächen zur Verfügung gestellt werden müssen, um dem Wasser mehr Platz zu geben.“ Aber das passiere kaum, sagt Lücking. Kein Bundesland sei da wirklich Vorbild, weder Sachsen, noch Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen.

„Bundesweit ist es so“, erklärt Lücking weiter, „dass die Politik offensichtlich immer noch nicht verstanden hat, dass der technische Hochwasserschutz allein diese Katastrophen nicht bewältigen kann. Wir müssen wirklich großflächigen ökologischen Hochwasserschutz anwenden. Das ist dringend geboten – auch für Sachsen. Von den zur Verfügung stehenden Flächen ist gerade mal ein Prozent umgesetzt worden.“

Problem erkannt, Gefahr gebannt?

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff hat zumindest die Bedeutung des Problems erkannt, wenn er sagt: „Retentionsflächen, Ausgleichsflächen oder Deichbrüche, die partiell entspannend gewirkt haben, spielen ihre Rolle. Aber da es am Ende um Millimeter geht, kann es durchaus ein fachliches Votum geben, dass man sagt, genau diese Millimeter sind für Magdeburg, was nicht beliebig eindeichbar ist, existentiell und entscheidend.“

Wie entscheidend dies ist, hat am Wochenende Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck bei Günther Jauch deutlich gemacht, als er das einsame Beispiel Lenzen anführte, wo eine Rückdeichung ausnahmsweise geklappt hat: „Über 420 Hektar, das war eine ganz schöne Kraftanstrengung, aber es ist gelungen. Das macht uns heute Freude. Wir haben vor zehn Jahren dort noch eine Million Sandsäcke verbaut. Bis heute liegt dort kein einziger, obwohl der Wasserstand höher ist. Das wird uns hoffentlich in die Lage versetzen, dass wir es am Ende schaffen, ohne größere Schäden.“

Klingt nach Einsicht und Vernunft, aber Platzeck schmücke sich mit fremden Federn, sagt Winfried Lücking vom BUND: „Ja, das ist sehr merkwürdig. Das ist eine Maßnahme, die der BUND gemanagt hat. In den anderen Bereichen, wo das Land Brandenburg versucht hat, großflächige Rückdeichungsmaßnahmen vorzunehmen, sind sie leider gescheitert.“

Und so geht das auch in Sachsen. Den Grund nennt Ministerpräsident Stanislav Tillich: „Bei einer Forderung nach Deichverlegungen, Rückverlegung, muss man immer wieder realisieren, wir haben es mit Menschen zu tun, die damit ihre Existenz finanzieren, das heißt also Landwirte, die mit dieser Agrarfläche auch arbeiten. Was für den einen die Fabrik ist, ist für den anderen die Ackerfläche, mit der man Geld verdient. Ich kann mir vorstellen, dass der Landwirt nicht freiwillig verzichtet.“

Lösungen nur mit dem Bürger zusammen

Aber man müsse es eben wenigstens versuchen, sagt Winfried Lücking. Der BUND habe im Fall Lenzen von vornherein die Bürger, auch die Landwirte mit einbezogen. „Wenn es um solche Maßnahmen geht, braucht es offensichtlich mehr professionelle Kommunikation -damit es nicht zu solchen Verweigerungen kommt. Der Bürger muss mitgenommen werden. Man muss die Ängste und Sorgen wirklich ernst nehmen. Ohne den einen oder anderen Kompromiss wird man da nicht auskommen können.“

Retentionsflächen schaffen, mit den Anwohnern und Bauern nach Lösungen suchen – Sachsen wolle sich der Diskussion nicht verweigern, sagt Stanislav Tillich: „Über die Frage, wer wofür und durch welche Handlungen im Prinzip mehr hätte bewirken können zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt, das wollen wir klären. Meine Behörden sind da zu Gesprächen bereit. Die Koordination zwischen den beiden Ländern müssen wir verbessern.“

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