Das Jahrhunderthochwasser vor zehn Jahren traf besonders die Elbe und ihre Nebenflüsse. Eines der Bilder hat sich sehr eingebrannt. Das von vier Menschen, die sich auf einen Mauerrest retten konnten – das Haus umgeben von braunen Wassermassen. Entstanden ist es im kleinen Ort Weesenstein im sächsischen Müglitztal. Zehn von vierzig Häusern wurden damals komplett zerstört, ein Ehepaar starb. Jetzt, zehn Jahre später, ist unsere Reporterin noch einmal hingefahren.
von Mareike Wiemann

Wie idyllisch sie dahinfließt, die Müglitz: Ein kleiner Fluss, der sich seinen Weg durchs Tal bahnt. Doch im August 2002, da wurde die Müglitz innerhalb von wenigen Stunden zum reißenden Strom. Als das Wasser sein Haus umspülte, da wusste Rainer Sobcinski, dass er weg musste: Über die Schuppendächer rauf zum Hang.
Vom Hochwasser eingeschlossen
Die Fluten reißen das schöne alte Fachwerkhaus der Sobcinskis mit. Manche Einwohner müssen in letzter Minute per Hubschrauber von den Überresten ihrer Häuser gerettet werden. Wie Familie Jäpel, deren Bild um die Welt geht. Helmut Bertold, der frühere Pfarrer von Weesenstein, kann auch zehn Jahre später noch nicht fassen, wie schnell alles ging.
Die Weesensteiner waren damals nicht vorgewarnt worden. Weder von den Hochwasserzentralen, noch durch die Ortschaften vor ihnen. Rainer Sobcinskis erinnert sich:
Weiter erzählt er: „Dann kam ein Tag Stille im Ort, da hat sich nichts bewegt. Erst als ein Nachrichtensender schrieb, Weesenstein sei ‚vergessen worden‘, ging es am nächsten Tag los. Da haben die Hubschrauber für die paar Einwohner Berge von Lebensmitteln gebracht und Kleidung.“
Die rettende Arche am Hang
Sobcinski und seine Frau kamen damals bei Pfarrer Bertold unter. Der 79-Jährige lebt in einem Haus am Hang, seiner ‚Arche Noah‘, wie er sagt. Bertold wurde in diesen Tagen zum Medienprofi, er koordinierte die unzähligen Presseanfragen. Und auch die vielen Spendenangebote, die aus ganz Deutschland eintrafen. „Nennen Sie uns jemanden, dem wir helfen können!, „Wohin sollen wir die Lebensmittel bringen?“, „Können wir die Sachen in der Feuerwehr einlagern?“ Aber die war ja auch überschwemmt. und es hieß: „Na, dann bringen wir es zu Ihnen.“
Nicht nur Materielles zählt
Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Mit Hilfe von Spendengeldern konnten viele der Betroffenen neue Häuser bauen. Es entstand sogar eine neue Straße für sie im Nachbarort: Die Straße des 12. August. Neid kam da auf bei manchen Weesensteinern: ‚Die haben jetzt ein schöneres Haus als vorher!‘ Doch das Materielle könne nicht alles ersetzen, meint Pfarrer Bertold.
Rainer Sobcinski wollte nach der Flut nicht weg aus Weesenstein. Im Gegenteil, er wollte ein neues Haus bauen, genau an der gleichen Stelle. Das wurde ihm nicht erlaubt. Sobcinski und seine Frau wohnen jetzt zur Miete in der Nachbarstadt. „Na, da wohne ich eben in Dohna. Und bin zufrieden, sag ich mal.“ An der Stelle von Rainer Sobcinskis Haus ist nun ein Spielplatz. Sehr schön sieht der aus, bunt, mit viel Holz. Hier erinnert nicht mehr viel an die Wassermassen vor zehn Jahren. Vergessen aber ist die Flut noch lange nicht.
Quelle: mdr.de